Kommunismus oder Käsetorte
Wolf Biermann’s interview mit dem Spiegel Online ist fasziniered. Der Barde spricht von Zufall und Notwendigkeit, von Kulturschock, Kommunismus und Käsetorte.
Jede Veränderung, die man wagt, hoffentlich zum Guten, zum Besseren, wird von manchen Leuten mit dem Vorwurf des Verrats quittiert. Wenn man zu den Menschen gehört, die immer wieder über alles neu nachdenken, im Lichte neuer Erfahrungen zu neuen Haltungen und Positionen kommen, dann ist man ein Renegat. Im allerbesten Sinne! Denn das war immer so in der Menschheit! Der berühmteste Renegat heißt Martin Luther, der schlägt den Papst auf den Kopf, nicht mit einem Knüppel, sondern mit Gottes Wort, mit einer Bibel. Und mein Vater Dagobert Biermann, Werftarbeiter in Hamburg, wäre von seinen Genossen totgeschlagen worden, wenn die Nazis ihn nicht ins Gefängnis gerettet hätten. Weil er nämlich in den wütenden Auseinandersetzungen von 1932/33, also vor Hitlers Machantritt, ein so genannter Abweichler war. Nicht weil er mit Trotzki sympathisierte, sondern er hatte die blödsinnige, falsche Idee, die Kommunisten müssten zusammen mit den Sozialdemokraten gegen die Nazis kämpfen. Und deswegen wurde er geächtet, als Renegat. Sie sehen, ich bin der Sohn meines Vaters.
SPIEGEL ONLINE – 10. November 2006